Groteske

Groteske
Gro|tẹs|ke 〈f. 19
1. Rankenornament der röm. Antike mit menschl., tier., pflanzl. Darstellungen, in der Renaissance wieder verwendet
2. derbkomische, närrisch-seltsame Dichtung in Prosa od. in Versen
3. auf groteske Wirkung ausgehende Form des modernen Ausdruckstanzes; Sy Grotesktanz
4. Verhöhnung, Verzerrung der Wirklichkeit

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Gro|tẹs|ke, die; -, -n:
1. (Kunstwiss.) fantastisch gestaltete Darstellung von Tier- u. Pflanzenmotiven in der Ornamentik der Renaissance u. der Antike.
2. (Kunstwiss., Literaturwiss.) Darstellung einer verzerrten Wirklichkeit, die auf paradox erscheinende Weise Grauenvolles, Missgestaltetes mit komischen Zügen verbindet:
eine G. schreiben;
der ganze Vorgang war eine G.

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Grotẹske
 
[Substantivierung zu grotesk] die, -/-n,  
 1) bildende Kunst: 1) Ornament mit pflanzlichen Formen, Tieren, Halbmenschen und Fabelwesen, die auf eine meist durch einen Kandelaber gebildete Mittelachse bezogen sind. Raffaels Dekorationen der Loggien des Vatikans sind ein Hauptbeispiel der Verwendung der Groteske in der Hochrenaissance. In der deutschen Renaissance verwendeten die Kleinmeister häufig die Groteske, die bis in den Frühbarock weiterlebte. Wieder aufgegriffen wurde die Ornamentform während der Gründerzeit in Deutschland (ab etwa 1870). 2) Groteske Elemente als künstlerisches Gestaltungsmittel finden sich in der Antike besonders bei Darstellungen von mythologischen Szenen, im Spätmittelalter in der Miniaturmalerei auf den Randleisten von Büchern. In der Folgezeit wurde das Groteske zu einem wichtigen Gestaltungsmittel in der fantastischen Kunst und in der Karikatur. Als Meister in der Gestaltung grotesker Motive und Szenen traten v. a. H. Bosch und F. de Goya hervor. Im 20. Jahrhundert spielte das Groteske eine besondere Rolle in Dadaismus und Surrealismus.
 
 
C.-P. Warncke: Die ornamentale G. in Dtl. 1500-1600, 2 Bde. (1979);
 
Mein ganzer Körper ist Gesicht. Groteske Darstellungen in der europ. Kunst u. Lit. des MA., hg. v. K. Kröll u. H. Steger (1994).
 
 2) Literatur: Mittel, besonders der literarischen Satire und des »schwarzen Humors«. Die Groteske schockiert, Gelächter soll in Erschrecken umschlagen. Die Grenze zwischen Wirklichem und Unwirklichem bleibt offen. Werke des 16. Jahrhunderts, so in Frankreich von F. Rabelais, in Deutschland von J. Fischart, zeigen ausgeprägt groteske Züge. Später nutzte die Romantik, besonders die dem Schaurigen, Satanischen zuneigende »schwarze Romantik«, das Groteske, um grelle Effekte zu erzielen (E. T. A. Hoffmann, V. Hugo, E. A. Poe). C. D. Grabbe, F. T. Vischer, W. Busch, C. Morgenstern, W. Raabe, P. Scheerbart u. a. pflegten die Form des heiter und witzig Grotesken. Bei L. Pirandello verwischt Groteskes die Grenzen zwischen Sein und Schein. Bei F. Wedekind, G. Meyrink, C. Sternheim, H. Mann, F. Kafka, B. Brecht ist das Groteske Mittel zum Bewusstmachen der wahren Natur von Welt und Menschen, zur Kritik der sozialen Verhältnisse. Bei S. Beckett, E. Ionesco u. a. geht das Groteske über ins Absurde (absurdes Theater). G. Grass stellt in seinem Roman »Die Blechtrommel« die geistige Verkrüppelung der von nationalsozialistischen Vorstellungen geprägten Welt anhand einer Verkehrte-Welt-Groteske dar. Für F. Dürrenmatt ist die groteske Komödie die der Moderne gemäße dramatische Form.
 
 
C. F. Flögel: Gesch. des Grotesk-Komischen (Neuausg. 1862, Nachdr. 1978);
 W. Kayser: Das Groteske. Seine Gestaltung in Malerei u. Dichtung (21961);
 A. Heidsieck: Das G. u. das Absurde im modernen Drama (21971);
 G. R. Hocke: Manierismus in der Lit. (46.-48. Tsd. 1978);
 G. R. Hocke: Die Welt als Labyrinth (Neuausg. 1987);
 
Das Groteske in der Dichtung, hg. v. O. F. Best (1980);
 
Ares u. Dionysos. Das Furchtbare u. das Lächerliche in der europ. Lit., hg. v. H.-J. Horn u. a. (1981).

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Gro|tẹs|ke, die; -, -n: 1. (Kunstwiss.) fantastisch gestaltete Darstellung von Tier- u. Pflanzenmotiven in der Ornamentik der Renaissance u. der Antike. 2. (Kunstwiss., Literaturwiss.) Darstellung einer verzerrten Wirklichkeit, die auf paradox erscheinende Weise Grauenvolles, Missgestaltetes mit komischen Zügen verbindet: eine G. schreiben; eine Ausstellung mit vielen -n verschiedener Epochen; Ü der ganze Vorgang war eine G.; Ich stand unter dem Eindruck, eine politische G. miterlebt zu haben (Niekisch, Leben 70). 3. ins Verzerrte gesteigerter, karikierend übertreibender Ausdruckstanz: die Gruppe tanzte eine wilde G.

Universal-Lexikon. 2012.

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